Ich war mit als eine der Ersten wach und gottseidank lag ich direkt neben dem Fenster an der Wand – und so ging mein allererster Blick draußen, um endlich die Landschaft um uns herum zu sehen. Eine Offenbarung! Schroffe, kahle Berge, nicht zu hoch, größtenteils mit Gras und Flechten bewachsen, in einem grünen, teilweise rötlichen Braunton. Darüber die grauen Wolken – so richtig rau und urig – und als ich später vor die Hütte trat, empfing mich ein starker Wind und die geballte Kraft des walisischen Wetters. Ich kann es nicht beschreiben, es ist einfach genial. Aber vielleicht können euch die Bilder einen etwas besseren Eindruck vermitteln.
An
diesem Morgen war Frühstück für um 7 angesetzt, aber wie das im
Club nun mal so geht, wurde es 8 und später. Es gab leckeren
Porridge von Trish, der Club-Mama, mit Marmelade dazu – mmmmmh! Ich
hatte ihn ja auch schon mal gemacht, und da fand ich ihn nicht so
gut...
Danach
bereiteten alle ihre Sachen für den heutigen Tag vor, Kletter-Gears,
Essen,... Wir bekamen noch Trekking-Hosen, weil alle uns von Jeans
abrieten. Und wieder dauerte es eine Ewigkeit, ehe alle fertig waren.
Alle Mädels warteten schon lange vor der Hütte, nur die Kerle
kästen sich wieder nicht aus. Als es endlich los ging, gab es zwei
Gruppen. Die weitaus größere Gruppe ging zum Klettern. Lisi, ich,
Matt der Chef, Mike, Alison, Bryn und Sonja wollten wandern. Wir
hatten uns ihnen angeschlossen, weil wir erstmal die Landschaft sehen
wollten und hofften, am Sonntag noch klettern gehen zu können. Der
Start der Wanderung stellte sich als schwierig heraus, denn Matt und
Mike wollten uns etwas über Karten und Navigieren beibringen und so
blieben wir alle paar Minuten stehen – lieb gemeint, aber nicht
konsequent genug. Wir gingen einen Pfad entlang und dann gings los:
Querfeldein einen langen und steilen Abhang hinauf, über tiefes Gras
und rutschige Steine. Warum querfeldein? In UK gibt es so etwas wie
„Open Access Land“ (?), wo man ab einer bestimmten Höhe überall
langlaufen darf. Deshalb sind dort auch kaum Pfade und man muss sich
wirklich gut orientieren können.
So sieht´s hinter der Hütte aus |
Warten, dass es losgeht! V.l.: Lisi, Tim, Hannah, Bryn, Tom, ?, John, Chris, Gabriel, Guillaume |
Ich
hatte meine Zehenschuhe angezogen, im Gedanken daran, dass wir auf
Pfaden gehen werden. Doch als ich dann bis zum Knöchel im Matsch
steckte, wurde mir klar, dass Zehenschuhe nichts für Snowdonia sind ;-).
Auf dem Bergkamm habe ich sie dann gegen meine Turnschuhe gewechselt
– auch nicht optimal, aber besser. Was mich am Aufstieg sehr
nervte: Alle paar Höhenmeter blieben sie stehen um Pause zumachen,
und dann wurde man immer verdammt kalt. Ich glaube, ich habe die ein
bisschen genervt, aber ich wollte mich nicht erkälten und dann ging
es auch endlich voran. Auf dem kahlen, grasigen Bergrücken ging es
dann weiter, durch Matsch und Schlamm. Aber es war toll, auch die
Aussicht auf die anderen Berge. Dann wurde Mittagspause gemacht, und
mir wurde es Himmelangst, weil es noch so weit bis zur Spitze schien.
Doch dann sagte uns Matt, dass wir auf einen anderen Berg gehen
würden, nicht auf den, der direkt vor uns lag. Also scheinen sie
doch ein bisschen Zeitgefühl zu haben... :-) (übrigens waren einige aus der anderen Gruppe dann noch auf diesem Berg - der muss richtig toll gewesen sein!)
Weiter
ging´s... - und dann kam der Strum! Sowas habe ich noch nicht
erlebt! Er fegte über den Bergrücken und machte das Fortkommen zu
einem absoluten Kampf –
einfach unglaublich!!!! Zur Spitze ging es dann ziemlich
gemächlich hoch und es war in keinem Fall steil, sodass man hätte
abstürzen können. Aber da waren ein Haufen kleine Steine, über die
man hinweg musste. Normalerweise auch kein Problem, aber unter den
Umständen schon: Jedes Mal, wenn man für einen Schritt ein Bein in
der Luft hatte, lief man Gefahr vom Wind umgeweht zu werden und sich
in den Steinen zu verheddert und auf den Boden zu schlagen. Das ging
echt an die Kräfte und vorallem auf die Beine, weil man sich immer
mit dem rechten Bein abfangen musste. So einen Muskelkater im
Oberschenkel habe ich noch nie gehabt, ich konnte bis Dienstag nur
schwer laufen...
Lisi und Mike, auf dem Bergrücken |
V.l.: Ich, Alison und Bryn, Photo by Matt |
Der Aufstieg
war nicht hart gewesen, von ca. 300 auf 1000 Meter (ja, die haben
hier zwar Feet und Miles, aber auf den Karten sind die Höhen und
Entfernungen in Metern und Kilometern angegeben). Aber der Wind! Dazu
Turnschuhe, eine viel zu große Hose, Matsch (Bryn ist sogar einmal
bis zum Oberschenkel eingesunken :-) und einen unbequemen
Schulrucksack statt eines richtigen Wanderrucksackes, glitschige
Steine... Trotzdem war es einfach der Hammer! Beim Abstieg wollte
Matt dann schon vor gehen, zu Lisi und Mike und ab da ward er nicht
mehr gesehen,... auch die beiden nicht, denn die waren schon
vorgegangen.
Der
Abstieg war ähnlich wie in den Alpen, doch der Wind wurde plötzlich
noch viel stärker. Es gab Momente, da zerrte er so an den Wimpern,
dass ich meine Augen kaum aufbekam und ich konnte ihn in meinen
Nasenlöchern pfeifen hören... Unbeschreiblich!!! Hinzu kam Regen.
Ich war bis auf die Haut durchweicht, mein ganzer Rucksack bis ins
Innerste nass, nur am Rücken war ein kleiner Fleck trocken. Jetzt
wusste ich, warum alle über Nässe, Wechselklamotten und
„Waterproof“ gesprochen hatten. Zudem wurde die Landschaft durch
die vielen kleinen entstandenen Seen komplett verändert. Wir waren
jetzt nur noch zu viert und machten uns auf den Rückweg – keiner
von uns kannte sich dort aus. Wir suchten nach einem Abstieg ins Tal,
doch der war sehr schwer zu finden. Ab und zu machten wir Rast, wenn
es einen großen geschützten Felsen gab, um uns ein wenig von dem
Wind auszuruhen. Als wir immer weiter und weiter gegangen waren und
kein Abstieg in Sicht war, beschlossen wir, den gesamten Weg einfach
wieder zurück zu gehen. Es dauerte eine Ewigkeit. An dem steilen
Abhang vom Anfang setzten wir uns dann einfach hin und rutschten das
Gras herunter. Doch da waren auch noch von Moos überwachsene Steine
und ich rutschte ständig mit meinen Füßen in die Löcher, einmal
verlor ich fast einen Schuh. Egal, einfach weiter gehen (oder
schlittern :-).... Und die Stimmung war immer noch gut! Doch wir waren
froh, als wir endlich unten angekommen waren.
Alles
in allem war es keine körperlich anstrengende Wanderung, aber dieser
unbeschreibliche Wind und diese unbeschreiblich Nässe waren eine
unvergessliche Erfahrung, die für sich genommen doch wirklich
anstrengend war. Am Abend blies der Wind so stark ums Haus, dass ich
im Halbschlaf wieder den Wind und den Regen auf meinem Gesicht
gespührt habe.
Was
auch toll war: Heute hatten wir mal nur Briten um uns herum, keinen
einzigen anderen Austauschstudenten – das war irgendwie mal sehr
erholsam!
Zurück
in der Hütte trafen dann stückchenweise alle anderen ein, die sich
auch zum Teil getrennt hatten - alle klitschnass wie wir! Lisi und
Mike kamen kurz nach uns an, sie hatten den Abstieg gut geschafft,
aber waren auch nicht mehr ganz trocken ;-)! Überall nasse Menschen,
nasse Klamotten, nasses Equipment – die Hütte muss gedampft haben
vor Nässe. Die Dusche und die trockenen Sachen danach waren noch nie
so angenehm :-)!
Danach
ging es gleich weiter, denn wir wollten noch in einen Pub nach
Betws-y-Coed. Also haben wir uns Tüten über die Füße gezogen,
sind in die nassen Schuhe rein, haben unsere tollen Glyndwr
Regenmäntel angezogen, um die uns alle beneideten und in denen wir
aussahen wir große Ü-Eier, und los ging´s. Das war wirklich schön!
Wir haben am Pub draußen gesessen, die Sonnenschirme haben uns vor
Regen geschützt und die Heizstrahler haben mein Gesicht zum Glühen
gebracht. Es war eine einmalige Stimmung, fast wie in einer lauen
Sommernacht, nur dass es um uns herum eisig kalt war, es geregnet hat
und ein starker Wind ging. Aber das kümmerte uns nicht! Es wurde
geplappert und gelacht und es war einer der schönsten Momente des
ganzen Ausflugs.
Auf
dem Heimweg bin ich dann bei einem der anderen Teilnehmer in seinem
Land Rover Defender mitgefahren. Das Witzige: Als wir letzte Woche im
Boardroom klettern waren, habe ich ausgerechnet von diesem Defender
ein Bild gemacht (für meinen Freund, der auch so ein Schlachtschiff
fährt), ohne zu wissen, dass es jemanden vom Club gehört –
genialer Zufall! Schon cool, im Heimatland des Defenders mit einem zu
fahren, natürlich mit Lenkrad rechts :-)!
In
der Hütte angekommen, gab es dann Essen: Kartoffelbrei, Würstchen
und brauen Soße, auch ein typisch britisches Essen. Alle zogen uns
wieder damit auf, dass wir unter anderem wegen der Hoffnung auf
typisch britisches Essen mitgekommen seien, denn es war wirklich von
aller unterster Qualität – witzig :-)! Danach noch Apfelkuchen und
wirklich leckeren britischen Käse!
Es
wurde mit den verschiedenen Musikinstrumenten gejamt, die Mike
mitgebracht hatte und außerdem gab´s noch von Zweien der Teilnehmer
eine kleine Feuershow mit brennenden Stäben!Unsere Küche |
Und
dann fingen wieder die Spiele an :-) : Erst ein Spiel für Kletterer:
Unter einem Tisch hindurch auf die anderen Seite zu Klettern, ohne
sich auf den Boden abzulegen. Das war so witzig.. wie die Affen! Nur
die Füße und Finger haben noch über die Tischkante geschaut! Aber
das Spiel machte wenigstens noch Sinn... Danach wurde es wesentlich
alberner: Wir (d.h. Die Jüngeren unter uns – das
Durchschnittsalter wird ungefähr bei 28 gelegen haben?) setzten uns
in einen Kreis zusammen. Die Spiele sollen nicht weiter beschrieben
werden, es genügt zu sagen, dass sie aus einer Aneinanderreihung und
streng festgelegten Weitergabe merkwürdiger Laute bestanden, die
einen potentiellen Zuschauer veranlasst hätten, die Polizei und die
Leute mit dem bunten Auto mit den viereckigen Rädern zu
verständigen... :-) Ich lach mich tot, während ich das schreibe und
daran denke!
Trish versucht sich beim Kletter-Spiel V.l.: Mike, Tom, Tim, Matt, John, der andere Tom (in grün), Bryn, Hannah, Lisi |
Danach
saßen wir noch ein bisschen im Kaminzimmer zusammen und quatschten,
aber wir waren alle wirklich müde und so brach für uns die zweite
und leider schon letzte Nacht in der Hütte an.
Manches mögen wir uns kaum vorstellen....! Aber offensichtlich hat`s Euch allen großen Spaß gemacht und Ihr seid vom lebenslang nicht kurierbaren "Snowdonia-Fanvirus" befallen! Klasse, dass Ihr sowas Tolles erlebt habt (und ganzbeinig wieder da rausgekommen seid)! LG aus SM
AntwortenLöschenÜbrigens haben wir später mitbekommen, dass Hannah eigentlich (zumindest mit Spitznamen) Carly heißt :-)
AntwortenLöschen[Ennie]